A Bigger Bang

am Tag nach der Rückkehr aus Berlin war es dann auch bei mir soweit; Leute mit allergischer Disposition haben in dieser Saison schwerer zu leiden, als in den Jahren davor. Ich habe teilweise im Bett gesessen, sieben Mal pro Nacht wach und luftlos, dabei vollgepumpt mit den üblichen Sprays und Tabletten, die einen die Welt durch einen Schleier aus Schleim und Müdigkeit sehen lassen, sich fiebrig fühlend, blühendes Grün meidend, elend. So laufe ich herum, inzwischen unter Cortison; und natürlich denke ich dabei an die Episode inneren Verblutens, die mich zuletzt unter Cortison erwischt hat.
Wird schon werden.

Ausgerechnet in einem solchen Zustand werde ich zur aktiven Teilnahme an der Erprobung einer neuen Maschine gerufen, die mit aller Kraft und technischer Raffinesse Unkraut aus Steinen reissen kann, leider aber auch dem Maschinenführer die Arme ab; ein selbstgebasteltes Stück Mist ohne Tot-Mann-Schaltung und Abschirmungen; nachdem es mich zwei Mal fast hingehauen hat, erkläre ich das Monstrum für untauglich und fertig; meine Laune war ohnehin kaum zu steigern, nachdem ich bei der Hinfahrt zum Testgelände mit über 50 km/h in einer 30er-Zone geblitzt worden war.

In zwei Nächten der vergangenen Woche kommen hier Unwetter ‚runter, die die Städte der Umgebung teilweise in den Nachkriegszustand versetzen und den Verkehr auf Straßen und Schienen zum Erliegen bringen.
Und so stirbt langsam das Ziel Paris; vorerst nur, bis all systems go; mein Einzelzimmer unter dem heißen Blechdach mit Blick auf die Oper wartet auf mich; ich merke, wie ich innerlich stumpf werde, stumpf und trocken, obwohl ich fast konstant mit mir ins Gericht gehe; habe ich das richtige getan und gesagt?
Hab‘ ich keinen Druck machen wollen oder war das vornehm kaschierte Feigheit?
Sind meine Weisheiten je bewiesen worden von mir, sind meine Vorgaben überhaupt erfüllbar?
Und wer bin ich, mich so zu spreizen?
Habe ich in die Hand gebissen, die mich streicheln wollte?
Wäre nicht ein einziger Schritt nur nötig gewesen, ein klarer Satz, in’s Chaos gesetzt, wie eine Boje, um Zögern und Zaudern zu beenden und einem belasteten Menschen wortlos die Liebe zu geben, die dieser aus vollem Herzen verschenkt hat?
Welch ungeheure Torheit, im klaren Erkennen, dass es eine Einmaligkeit von Begegnungen gibt, die unwiederbringlich verloren gehen kann, die Götter herauszufordern!
Und beim Gedanken, dass ich die einmalige Chance auf mühsames, lebendiges, spannendes, voll Entwicklung steckendes Glück mir durch die Finger habe rinnen lassen, bis alle Beteiligten mit leeren Händen dastehen, höre ich den Urteilsspruch: lebenslange Bequemlichkeit, lebenslange Reue.

Es ist kaum noch etwas, wie es war.
Und als ich den Kasten öffne, fallen mir Worte und Gefühle entgegen und schwarz-weiße Sternchen und alles ist wieder richtig; irgendwo da draussen bist du, irgendwo hier drinnen bin ich nicht mehr, und manchmal ist Vermissen das einzige Wort von Bedeutung.

Abends, ganz unüblich, kommt der Anruf einer Arzthelferin: sie ist plötzlich ein akuter Fall geworden, muss in die Klinik, in der nichts gefunden wird, was Grund zur Beruhigung geben könnte, vorerst, denn die Mühle der Diagnostik mahlt langsam; Alleinerziehend, ohne finanzielles BackUp, was sonst; der Teufel scheisst immer auf den größten Haufen.

Tagsüber stundenlanges Walking-Training, ein See, ein Riesenrad, a wheel in perpetual motion, ein flasback.
Abends dann libanesisches Essen, bis eine innere Erschöpfung zuschlägt, die ich kaum beherrschen kann; zuerst im Fernsehen, dann in meinem Kopf tanzt ein Samurai mit seinem Schwert, bevor ich in bleischweren Schlaf falle.

In wenigen Tagen kommt der nächste Kurzurlaub, leichter zu erreichen, leichter zu managen, nicht so aufreibend: Bremen, eine Ausstellung über Teilchenphysik, ein Bummel, ein Essen, Frage-und-Antwort-Stunden, und einfach immer weiter atmen.

It’s funny how things go around

It’s crazy

But it’s true
This place is empty

Oh so empty

Is empty without you
This place is empty

Empty

So empty without you

(Rolling Stones – This Place Is Empty)