Das Bersten der Wolken

langsam ist die Wärme in leicht schwüle Hitze übergegangen hier, es lohnt sich, ab und zu einen Umweg zu machen und in der Sonne sitzend sich umzuschauen, wie in dieser Saison das kokette Spiel wieder beginnt, wie die älteren, bereits geübten Frauen den Blicken, die sie mit ihren raffinierten Outfits auf sich ziehen, nicht nur nicht ausweichen, sondern sie erwidern, mal gnädig, mal souverän, als wollten sie sagen: komm‘ nur und lass‘ uns die alten Tänze wieder aufnehmen, sei ein Mann, sei mein Mann, hab‘ Mut und lass‘ mich Frau sein, mit Dir, in einem verwilderten Gartenstück an den Bahngleisen, in einem nachtkühlen Altbauzimmer, lass‘ die Wolken bersten und so jung sein, wie wir geblieben sind, ich brauche das zurück, was so lange brach gelegen hat, ich will wieder blühen und glühen.

Und die noch etwas unbeholfenen jungen Frauen, deren Herzen und Gefühle nun grüne Triebe sprießen lassen, zupfen leicht verschämt ihre locker sitzenden Oberteile zurecht, üben das Haarewerfen und das leichte Schwingen der Hüften, wechseln manchmal die flachen Treter gegen dezente High Heels und achten vorsichtig darauf, wer wie wo wann guckt, schürzen vielleicht die Unterlippe und, als ob das nicht schon für einen Anfall von Wahnsinn reichen würde, schlecken dabei bedächtig ein Eis und schauen auf ein Handydisplay, in ein Schaufenster oder in die feuchtwarme Luft neben mir, verunsichert durch diese seltsamen Empfindungen, zugehörig sein zu wollen und zugleich Angst zu haben davor, im dunklen See ihrer Wünsche zu ertrinken, befangen und gefangen zu sein, in Ketten gelegt, statt in Sanftheit gehalten – und mit einem leisen Seufzen sterbe ich auf der Stelle, zufrieden damit, als Mann gelebt zu haben.

Manchmal, when night is falling, sehe ich dein Gesicht und das Glitzern deiner Augen, höre deine Stimme, die in Liebe zu mir spricht, fühle dich bei mir, neben mir, in mir und versuche, das Vermissen lang und länger auszuhalten, bis es zu stark wird und ich mich rasch daran erinnere, dass du sicher eine Fata Morgana warst, denn in Realität hätte ich dich nie gefunden, wärst du nie da gewesen, in Realität gibt es solche Wunder für die meisten Menschen wohl nie und wenn doch, dann nur ein einziges Mal im Leben und es fordert alles, es ist aber auch alles wert.

Und ich denke, es gibt dich nirgendwo so, wie ich dich kannte, ich denke und spreche zu mir: Du, es war alles in DIR, DU bist das Fühlen und DU bist die Quelle der Sehnsucht, aber auch ihre Erfüllung.
Und ich versuche mit mir selbst zu verschmelzen, denn das ist der einzige Weg, der mir noch bleibt, um im wahrsten Wortsinn zu mir zu kommen.

Es gibt sicher viele Arten der Liebe und Arten zu lieben – und es gibt eine, von der ich ungläubig gehört hatte, bei der es keine Fragen mehr gibt, die kein Wissen mehr braucht, die vielmehr sicher fühlt, was nicht in Worte zu fassen ist – und die habe ich erlebt. Ich habe erlebt, Gedanken zu denken, die ich nie zuvor denken wollte und konnte.
Daher weiß ich, dass ich gebenedeit bin unter den Männern, ein Einzelner, der ein Geschenk vom Schicksal bekommen hat.
Dich.

La vierge de fer

morgens, gegen vier Uhr, wenn ich kurz aufwache, trinke ich einen eiskalten Schluck und beginne mich daran zu erinnern, was Traum und was Realität war, schaue den Geistern nach, die langsam und leise mein Zimmer verlassen – wieder eine Nacht überstanden, wieder standgehalten.

Ach ja, heute ist Termin zur Abnahme der menschlichen und baulichen Veränderungen, die ich umgesetzt, durchgesetzt habe, also sind kleine Variationen des Outfits vorzunehmen, denn es handelt sich um hohen Damenbesuch.
Schon gestern hatte ich die mit ziemlicher Regelmäßigkeit erfolgenden Ersatzbeschaffungen von underwear und Schuhen erledigt; einige Paar Calida New Boxer Shorts, schwarz, mit feinstem Nadelstreifen und einen trittfesten schwarzen Schuh im Derby-Schnitt ohne Firlefanz, gut geeignet, um in Berlin die Füße zu schonen.
Noch ein Hauch Serge Lutens („La vierge de fer“)in die Fossa jugularis und dazu ein Piqué-Hemd (schwarz, what else) – und die Vertreterin des Ressorts (ganz in dezent orange und roten Tönen, ich denke: Prada und Mandarina Duck) sagt spontan, dass sie mich nie so glücklich erlebt habe und wird selbst rot, als ich sie anstrahle.
Na also: geht doch.