in too deep

ich bin seit Tage nur im Regen gewesen und erfahre heute, dass mich in Berlin eher noch schlechteres Wetter erwartet. Also sind viele Museen angesagt.

Eine sehr schöne junge Frau, mein vorletzter Termin, zeigt mir einen Lymphknoten im seitlichen Halsbereich, hört mein deutliches Atemanhalten, als ich das harte, schmerzlose und unbewegliche Ding ertaste und mein Gesicht gefriert, und sie weint sofort los, so heftig und so hemmungslos, dass ich kaum noch sprechen kann, an ihren Ehemann denke und ihre beiden halbwüchsigen Kinder und an die beiden Helferinnen, die mich Ehrfurcht vor harten Lymphknoten gelehrt haben, bevor sie jung und schön gestorben sind an ihren bösartigen Tumoren; ich hole meinen Kollegen, um den Befund zu verifizieren, er nickt still und wir hängen uns an die Telefone, um für die junge Frau, die eigentlich schon längst auf dem Weg ans Meer sein wollte, noch einen Spezialisten mit geeignetem Ultraschallgerät zu finden, und wir schaffen das, weil wir Ärzte sind und immer einen Termin, beim Frisör und beim Arzt, sofort kriegen, seriöse Freunde haben; und zwei Stunden später kommt die Entwarnung: der Knoten ist echoarm und auch sonst spricht nichts für einen Tumor bzw. einen konsekutiven Lymphknotenbefall, und die Frau ist ruhig und dankbar und ich bin es auch und so erschöpft, dass ich nach innen weine, an die Toten denke und die, die ich liebe, die ich immer weiter lieben werde, die ich mir nicht aus dem Herzen ziehen kann und will, still, weil es zu meinem Schicksal gehört so und das die Seite ist, die nur wenige kennen, während ich lachend und ausgelassen auf den kleinen Vulkanen tanze, die in meinem Leben stehen, verraucht, verrucht, verlockend, verrückt; Imaginationen und Realitäten, ein Spiel, ein Rausch, damit ich die Frage nicht höre, wer meine Hand halten wird, wenn ich den Preis bezahlen muss dafür, dass plötzlich etwas in mir echoreich wird.