City of Angels

sie weine nur noch, sagt Susanne 1, als ich sie frage, wie es der Frau ergehe, die ihren Mann verloren hat mit 43 Jahren, im Urlaub, allein mit ihm und ohne Hilfe, und jetzt zum Leben verdammt ist, nicht zuletzt wegen der kleinen Tochter, sie weine sofort, wenn das Thema angesprochen werde, sie weine, kaum, dass der Telefonhörer an ihrem Ohr sei; sie habe jetzt soviel zu tun mit Behörden und Beerdigungsritualen, dass sie manchmal eine Unterbrechung erfahre darin, das Unfassbare in ihr Herz zu lassen. Ja, ab und zu könne sie mit einem Experten sprechen, einem Psychologen, der es erträgt, wenn sie um ihrem toten Mann bittet und schreit, wenigstens einer, der schweigt und mitempfindet, ohne eine Patentlösung im Hut zu haben. Und dann weine sie wieder allein mit sich; zwei Jahre Dauer rechnen die Experten für diese Phase der Verlustverarbeitung; für die Statistik ist das wichtig, der Frau hilft es nicht, zu wissen, dass sie nun zwei Jahre weinen wird, nach aussen und nach innen.
Und was dann kommt.
Der erste Schritt in ein Restaurant, der erste Kinobesuch mit einer Freundin, vielleicht ein erstes Lächeln, wenn das Kind eine Schulaufführung hat. Die Routine des Alltags, wo niemand mehr täglich neu lernen muss, ein Brot zu machen, ein Glas zu füllen, den Nachbarn zu grüßen, der immer auf den Boden schaut und rascher geht, wenn sie kommt, regelmässig zum Friedhof zu gehen.
Und nach und nach wird dieser brennende Stein in ihrem Herzen sich verwandeln zu einer stumpf anmutenden Perle, die niemand aus ihr nehmen kann, die nie wieder glänzen wird, groß genug, um auf der sensiblen Herzinnenhaut hin und her zu rollen, klein genug, um Platz zu lassen für ein Surrogat, bestenfalls. Schicksalsperlen.

Nachts, wenn sie weint, sitzt ihr toter Mann neben ihr, zu ihr gekommen aus einer Sphäre, wo Weinen nicht mehr nötig ist; vielleicht streckt er die Hand aus, vielleicht ist er nur still, vielleicht sieht er aus, wie Cage in City of Angels; spüren wird sie nichts davon, auch, weil die Psychopharmaka wirken und sie für bemessene Zeit zum Zombie machen.

Ich trauere auch, nach innen, denn nach außen geht nicht; man(n) wird mit Fragen bestraft, die sich rasch anhören, wie ein Verhör, in einer Kultur, die von Männern den coolen Macho und den gefühligen Softie zugleich verlangt und beide nicht mag.

Nachts kommen die schwarzen Engel auch zu mir, und ich erwache auf einem nassen Kopfkissen und denke mir Gründe aus, die mich funktionieren lassen.
Aber ich weiß die Wahrheit ansatzweise, und deshalb mache ich weiter.

Manche verlieren ihre Liebe an den Tod – und manche an’s Leben.